Sinan, Pflegeexperte Station 21
Zukunftsweisend und anpassungsfähig
2014 habe ich mich auf den dualen Bachelorstudiengang Pflege am Campus Lingen der Hochschule Osnabrück beworben. Während des Studiums absolvierte ich zwei Praktika im Ausland – das Erste im Hospital Geral de Santo António in Porto (Portugal) und das Zweite in den Anesis Spine and Pain Care-Kliniken in Seattle (USA). Die Praktika haben mir nicht nur ermöglicht, pflegerische Routinetätigkeiten im Ausland auszuüben, sondern auch im Sinne des Projektmanagements tätig zu werden. In Portugal habe ich mich mit der Effektivität und Wirksamkeit von „Nursing Assistants“, die im stationären Sektor pflegerisch agieren, projektspezifisch beschäftigt. In den USA hingegen, habe ich mich auf die fortgeschrittene Akademisierung in der Pflege konzentriert und die daraus resultierenden neuen pflegerischen Rollen untersucht. Zudem haben die Praktika meine eigenen Kompetenzen in den Bereichen länderspezifisches Gesundheitsverständnis und Pflegeprofessionalisierung spürbar erweitert.
In den USA lernte ich zudem noch das Berufswesen der Advanced Practice Nurse kennen, welches mich im Übrigen zur Bewerbung auf meinen späteren Masterstudiengang inspirierte. 2020 startete ich dann mit dem berufsbegleitenden Masterprogramm Erweiterte Pflegeexpertise – Advanced Nursing Practice an der Fachhochschule Bielefeld. Im Vordergrund standen diesbezüglich vor allem die pflegewissenschaftlichen Komponenten, bestehend aus den Sektoren qualitative und quantitative Forschung, Versorgungsgestaltung im internationalen Kontext, Change-Management sowie das modulare Format Clinical Leadership.
Nachdem ich 2022 meinen Master in Advanced Nursing Practice abschloss, wollte ich mein Wissen unbedingt innerhalb der EUREGIO-KLINIK in die Tat umsetzen. Und so setzte ich mich mit der Pflegedirektion, der Stationsleitung und dem pflegerischen Team meiner Station zusammen, um gemeinsam ein Konzept für meine neue Rolle in der Praxis zu erarbeiten. Meine künftige Arbeit würde sich nicht mehr erstrangig am Patientenbett abspielen, sondern eher hinter den Kulissen.
Als APN bin ich primär für die Schwerpunkte Pflegediagnostik und Prozessoptimierung auf meiner Station zuständig. Im Bereich Pflegediagnostik steht die Versorgungsgestaltung von chirurgisch-hochkomplexen Patienten im Vordergrund. Mithilfe eines spezifischen Screeningverfahrens werden chirurgische Patienten auf Hochkomplexität gescreent und bedarfstechnisch dem erweiterten Versorgungsangebot zugeordnet. Sprich nicht jeder Patient wird nach dem Schema F behandelt, sondern wir versuchen, den unterschiedlichen Bedürfnissen dieses speziellen Patientenklientels fachlich gerecht zu werden.
Im Bereich der Prozessoptimierung schaue ich mir die Prozesse, Abläufe und Routinen in der pflegerischen Versorgung an und prüfe, wo man Abläufe sowohl für die Mitarbeiter als auch die Patienten einfacher gestalten kann. Das lässt sich ganz gut mit dem Mechaniker vergleichen, der eine Sache austauscht, um die ganze Maschine wieder ans Rollen zu bringen.
In der Praxis sieht das zum Beispiel so aus, dass wir auf den chirurgischen Stationen die „Übergabe am Bett“ eingeführt haben. Das Pflegepersonal schließt sich also nicht in der Mittagszeit im Dienstzimmer ein und bespricht alle Patienten, sondern geht von Bett zu Bett und bespricht den aktuellen Status des jeweiligen Patienten. So kriegt der Patient unmittelbar seinen eigenen Behandlungsstatus mit und muss diesen nicht später aktiv erfragen. Diese Umstellung hatte beispielsweise den positiven Nebeneffekt, dass die Übergabezeit um 50 Prozent gesenkt werden konnte.
Zudem optimieren wir derzeit die Abläufe unserer Zentren für Endoprothetik und Darmkrebs. Aus konzeptioneller Sicht werden wir uns dabei zukünftig an das sogenannte ERAS®-Konzept* ausrichten. Als APN übernehme ich hierbei eine leitende Rolle hinsichtlich des Implementierungsverfahrens und sorge dafür, dass das von uns entwickelte „konzeptionelle Gerüst“ durch alle mitbeteiligten Professionen eingehalten und umgesetzt wird.
Dadurch, dass ich als APN die Möglichkeit habe, mir Prozesse ganz in Ruhe von vorne bis hinten anzuschauen, kann ich Fehlerquellen oder Umwege gut erkennen, eine Lösung erarbeiten, diese mit dem Team besprechen und anschließend umsetzen.
Genau wie alles im Leben, steht auch das Berufsfeld der Pflege nicht still. Gefühlt werden täglich neue Behandlungsmethoden entwickelt, neue Medikamente auf den Markt gebracht oder neue OP-Techniken vorgestellt. Und genau wie in allen anderen Berufen muss auch die Pflege immer am Ball bleiben. Pflege kann und ist so viel mehr. Und wie man an meinem Berufszweig vielleicht ganz gut erkennen kann, ist Pflege hochprofessionell und muss ebenso rund laufen, wie eine gut geölte Maschine.
Wir verfügen zwar alle über unterschiedliche Fähigkeiten, Abschlüsse und Kompetenzen, streben am Ende des Tages jedoch alle dasselbe Ziel an: Patientenwohl und Behandlungserfolg. Innerhalb des Teams können wir uns gegenseitig ergänzen und gemeinsam den effektivsten Weg suchen. Dabei vergessen wir jedoch nie, wer im Zentrum unseres Handelns steht: der Mensch.
Es kommen spannende Jahre auf uns Pflegekräfte zu und ich bin stolz, ein Teil des neuen Pflegebildes innerhalb der EUREGIO-KLINIK zu sein.
*Bei dem ERAS ® -Programm (Enhanced Recovery After Surgery) handelt es sich um ein evidenzbasiertes Behandlungskonzept, in dem alle an der Behandlung eines Patienten beteiligten Disziplinen zusammen mit dem Patienten intensiv daran arbeiten, die Vorbereitungs- und Erholungsphase einer Operation so wenig belastend wie möglich zu gestalten. Das Hauptziel besteht darin, postoperative Komplikationen zu minimieren, die Genesung zu unterstützen und eine frühzeitige Entlassung zu ermöglichen.